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Bücher zu Lateinamerika

Autor
Kohan, Martín

Sittenlehre (Ciencias morales)

Untertitel
Roman. Aus dem Span. von Peter Kultzen
Beschreibung
Verlag
Berlin: Suhrkamp Verlag, 2010.
Format
geb.
Seiten
246 Seiten
ISBN/EAN
978-3-518-42182-6
Preis
19,90 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Martín Kohan wurde 1967 in Buenos Aires geboren. Er studierte Literaturwissenschaft an der Universität von Buenos Aires, wo er heute als Hochschullehrer arbeitet. Er veröffentlichte mehrere Romane, Essay- und Erzählungsbände und arbeitete als Literaturkritiker. Übersetzt wurden bisher die von der Kritik einhellig gelobten Roman „Sekundenlang“ und „Zweimal Juni“.

Zum Buch:

Die 20jährige María Teresa ist Aufseherin im Colegia Nacional, dem von Präsidenten Bartolomé Mitre im 19. Jahrhundert gegründeten Elitegymnasium in Buenos Aires. Sie ist zuständig für die Einhaltung der Disziplin und Ordnung in der zehnten Obertertia. Unter anderem beaufsichtigt sie die Schülerinnen und Schüler, die sich nach dem Pausenklingeln im Gang der Schule aufzustellen haben. Nach dem „Ruhe“-Befehl ertönt: „Abstand nehmen“. Dazu müssen die Schüler den rechten Arm ausstrecken und die Hand, besser noch die Fingerspitzen auf die rechte Schulter des Vordermannes legen. Da die Schüler sich nach Größe aufstellen, bildet jeder Arm eine vollkommen gerade Linie. „So macht man das, heute und für allezeit.“ Wie die übrigen Regeln der Schule aussehen, kann sich jeder Leser leicht vorstellen, ihre völlig nüchtere Beschreibung aber löst das nackte Grauen aus. Die Handlung spielt 1982, im siebten Jahr der Militärdiktatur. Für die innere Struktur der Schule hat das offensichtlich keine Bedeutung. Fahnenappell und patriotische Übungen werden wie selbstverständlich hingenommen. Das aktuelle Geschehen außerhalb der Schule ist nur angedeutet, spiegelt sich in der Sorge von María Teresa um ihren Bruder, der zum Militär eingezogenen wurde und von dem aus ständig weiter im Süden liegenden Orten Postkarten ohne nähere Beschreibungen eintreffen. Oder wird offenbar, als die Schüler plötzlich an einem Tag den Ausgang zur Plaza de Mayo nicht benutzen dürfen. María Teresa nimmt ihre Aufgabe sehr ernst. Ihr größter Wunsch ist es, einmal einen Schüler beim Rauchen zu überführen. Damit könnte sie dem Oberaufsehen Biasutto imponieren. Der einzige Ort für dieses Vergehen in dem völlig überwachten Haus kann nur die Jungentoilette sein. Also schließt sie sich dort während der Unterrichtszeit ein. Ihre Beobachtungen sind von Kohan nicht ohne Komik beschrieben, manchmal möchte man laut lachen. Doch das Lachen vergeht einem schnell in diesem bitterbösen und bedrückenden Roman über die funktionierenden kleinen Rädchen im großen Machtgefüge. Klaus Küpper (Bücher zu Lateinamerika)