Zum Buch:
Piglia beginnt seinen großen Essay über den/die Leser (und das Lesen) mit der Schilderung seines Besuchs bei einem Mann, der permanent an einem Modell der Stadt Buenos Aires arbeitet. Jedes Jahr muß er die südlichen Stadtteile wieder aufbauen, die durch das Hochwasser beschädigt wurden denn er glaubt, daß die wirkliche Stadt von seiner Nachbildung abhängt und so gesehen ist er verrückt.
Der Mann läßt immer nur eine Person als Besucher zu und reproduziert [damit] in der Betrachtung der Stadt den Vorgang des Lesens, bei der man auch allein ist und wo es auch um Parallelwelten geht, die manchmal in die Wirklichkeit eintreten, wie Ezra Pound meint, den Piglia hier zitiert. Am Ende des Besuchs begreift der Besucher, was ihm auch vorher schon klar war: Alles, was wir uns vorstellen können, existiert … in einem anderen Maßstab, auf einer anderen Ebene, in einer anderen Zeit, deutlich und fern, wie in einem Traum.
Natürlich begegnen wir gleich im ersten Kapitel (Was ist ein Leser?) Borges, dem blinden Direktor der argentinischen Nationalbibliothek (Ich bin jetzt ein Leser von Seiten, die meine Augen nicht mehr sehen.). Kafka, Poe, Joyce sind ganze Abschnitte gewidmet, anderen Autoren begegnen wir über ihre fiktiven (?) Protagonisten (Bartleby, Don Quijote, Hamlet). Auch sie sind Lesende, ebenso wie ihre Schöpfer.
Wir begleiten Piglia auf einem spannenden und amüsanten Spaziergang durch die Weltliteratur, in denen er uns Lesern oft überraschende Ein- und Aussichten vermittelt. Er hatte nicht die Absicht, das Thema umfassend zu behandeln, sondern dieser Spaziergang ist, wie er im Nachwort schreibt, die willkürliche Wiedergabe seiner eigenen Lektüreerlebnisse und insofern möglichweise das persönlichste und intimste von allen (Büchern), die ich geschrieben habe.
Piglia ist es mit seinem spannenden Essay gelungen, das eigene Leseverhalten zu reflektieren, neue Sichtweisen auf scheinbar Bekanntes zu entdecken und last but not least, neugierig zu machen auf noch nicht Gelesenes (was wir uns aber immer schon mal zu lesen dringend vorgenommen hatten!).
Ein großer Dank an Autor, Übersetzer und Verlag für dieses außerordentliche Buch!
Klaus Küpper (Bücher zu Lateinamerika)