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Gespräche mit Freunden

Autor
Rooney, Sally

Gespräche mit Freunden

Untertitel
Roman. Aus dem Englischen von Zoë Beck
Beschreibung

An dem hier empfohlenen Buch Gespräche unter Freunden scheiden sich zurzeit die Geister. Die einen lehnen Rooneys Romane als vermeintlich belanglose und „voraussetzungsarme“ Alltagsgeschichten ab, die anderen feiern die junge irische Autorin für ihre klare Sprache und ihren differenzierten Blick auf die Generation der jungen Erwachsenen dieses Jahrzehnts. Wenn man den Fehler macht und leicht zu Lesendes mit Oberflächlichkeit gleichsetzt, entgeht einem das, was die Autorin hier schafft. Sie zeichnet ein ziemlich treffendes Bild einer jungen, kapitalismusmüden Generation, die es nicht mehr einsieht, sich an gesellschaftlich vorgegebene Rollenmuster zu halten. Ist die von Älteren gefürchtete Verflachung der Jugend manchmal vielleicht schlicht Unkenntnis neuer Denkwege und Gefühlswelten?
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Luchterhand Literaturverlag, 2019
Seiten
384
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-630-87541-5
Preis
20,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Sally Rooney wurde 1991 geboren, ist in Castlebar, County Mayo, aufgewachsen und lebt in Dublin. Ihre frühen Arbeiten sind erschienen in The New Yorker, Granta, The White Review, The Dublin Review, The Stinging Fly, Kevin Barrys Stonecutter und der Anthologie Winter Pages. Sie studierte am Trinity College Dublin, zunächst Politik, machte dann ihren Master in Literatur.

Rooneys Debütroman »Gespräche mit Freunden« war Book of the Year in Sunday Times, Guardian, Observer, Daily Telegraph und Evening Standard. Der Roman kam auf die Shortlist des Sunday Independent Newcomer of the Year Award 2017, des International Dylan Thomas Prize und des Rathbones Folio Prize 2018. Rooney war die Gewinnerin des Sunday Times/Peters Fraser & Dunlop Young Writer of the Year Award 2017.

Zum Buch:

An dem hier empfohlenen Buch Gespräche unter Freunden scheiden sich zurzeit die Geister. Die einen lehnen Rooneys Romane als vermeintlich belanglose und „voraussetzungsarme“ Alltagsgeschichten ab, die anderen feiern die junge irische Autorin für ihre klare Sprache und ihren differenzierten Blick auf die Generation der jungen Erwachsenen dieses Jahrzehnts. Wenn man den Fehler macht und leicht zu Lesendes mit Oberflächlichkeit gleichsetzt, entgeht einem das, was die Autorin hier schafft. Sie zeichnet ein ziemlich treffendes Bild einer jungen, kapitalismusmüden Generation, die es nicht mehr einsieht, sich an gesellschaftlich vorgegebene Rollenmuster zu halten. Ist die von Älteren gefürchtete Verflachung der Jugend manchmal vielleicht schlicht Unkenntnis neuer Denkwege und Gefühlswelten?

Die beiden jungen Frauen Frances und Bobbi sind Freundinnen seit Schulzeiten. Damals waren sie vorübergehend ein Liebespaar, teilen nun aber ihren Alltag als beste Freundinnen und finanzieren ihr Studium durch Auftritte als Spoken-Word-Künstlerinnen auf Kleinkunstbühnen und in Bars. Neben der eloquenten, schönen und extrovertierten Bobbi fühlt sich Frances farblos. Dabei ist es Frances, die alleine die Texte für ihre gemeinsamen Auftritte verfasst und somit die eigentlich Kreative des Bühnen-Duos ist. Gleich zu Anfang lernen die beiden Melissa und Nick kennen, ein wesentlich älteres Ehepaar, die in der Literatur- und Filmbranche zuhause sind. Bobbi sonnt sich im Interesse und in der Anerkennung Melissas, die ein Portrait über die beiden jungen Frauen und ihre Auftritte schreiben will. Frances bleibt reserviert und beobachtet, auch Nick, der als auffällig attraktiver Schauspieler schnell erstmal in der Schublade des zu gut aussehenden und deswegen vermutlich oberflächlichen B-Promis verschwindet. Die sich entwickelnden Beziehungen innerhalb dieser Vierer-Konstellation und um sie herum sind Gegenstand von Rooneys Erzählung. Melissa lädt die jungen Frauen wiederholt in ihr Haus und später auch in ein Ferienhaus in Frankreich ein, in dem sie mit noch anderen Freunden ihren Sommer verbringen. Hier wird viel Alkohol getrunken, politisch debattiert und gleichzeitig eine Art intellektuelles Bohème-Leben inszeniert, in dem jeder nur eine Rolle zu spielen scheint.

In einem Interview sagte die Autorin, dass es ihr in ihrem Roman auch darum ging, auszuloten, welche Art von Intimität es heute gibt und wie sehr äußere Rahmenbedingungen wie Alter, Geschlecht, finanzieller und gesellschaftlicher Status zwischenmenschliche Beziehungen bedingen und festschreiben. Daher widmet sich Rooney mit viel Empathie und Menschenkenntnis dem Innenleben ihrer Figuren und macht ihr individuelles Handeln nachvollziehbar. Frances’ Kindheit und Jugend mit einem alkoholkranken Vater und einer moralisierenden Mutter scheinen eine Art von schützender Empfindungslosigkeit und schwachem Selbstwertgefühl befördert zu haben, die die junge Frau daran hindern, sich wirklich einzulassen. Ihre finanziellen Nöte zum Beispiel teilt sie weder mit Bobbi noch mit Nick. Die Diskrepanz zwischen Selbstbild und der Wahrnehmung der anderen ist eklatant, und das nicht nur bei Frances.

Gespräche mit Freunden“ ist gleichzeitig die Geschichte einer Freundschaft, Liebes- und Gesellschaftsroman. Wer sich für das interessiert, was die Generation der sogenannten Millennials umtreibt, wie sie sich mehr und mehr befreien von vorgefertigten Beziehungsdefinitionen und Geschlechterrollen, sollte Sally Rooney lesen.

Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt