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Gareth Jones

Autor
Wlekły, Mirosław

Gareth Jones

Untertitel
Chronist der Hungersnot in der Ukraine 1932-1933. Aus dem Polnischen von Benjamin Voelkel
Beschreibung

Heute schätzen die Gelehrten und Forscher, dass während des Holodomors, jener verheerenden Hungerkatastrophe der Jahre 1932 bis 1933, in der Ukraine bis zu sieben Millionen Menschen starben. Längst in Vergessenheit geraten ist dabei der Name des einzig zuverlässigen Berichterstatters der damaligen Ereignisse: Gareth Jones.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Osburg Verlag, 2022
Seiten
327
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-95510-290-6
Preis
26,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Mirosław Wlekły, geboren 1978, Reporter, Autor von sechs Sachbüchern und Co-Autor von fünf auf Fakten beruhenden Theaterstücken. Sein Buch Gareth Jones wurde für das Finale des Literaturpreises »Juliusz« 2020 nominiert, der für die beste polnische Biografie des Jahres vergeben wird. Der Autor lebt in Warschau.

Zum Buch:

Seit Tagen folgt ein Wanderer mit geschultertem Rucksack der unbefestigten Landstraße nach Charkiw im Nordosten der Ukraine. Vor einer verwaisten Bauernkate erweckt ein verendetes Pferd mit aufgebrochener Bauchhöhle sein Interesse. Er tritt näher heran. Erst dann entdeckt er die Leichen der Verhungerten.

März 1933. Durch eine Finte ist es Gareth Jones, der sich als Sekretär des ehemaligen britischen Premierministers Lloyd George ausgibt, gelungen, das vom Kreml verhängte Reiseverbot für ausländische Korrespondenten zu umgehen. Als er nach der Rückkehr aus der Ukraine seine Reportage veröffentlicht, in der er die rigorose Konfiszierung von Vieh und Nutzpflanzen, das brutale Vorgehen kommunistischer Aktivisten und deren Unterdrückung jeglicher Opposition anprangert und vor Millionen Hungertoten im weltweit getreidereichsten Land warnt, löst diese zunächst ein Beben in der westlichen Welt aus. Sehr zum Ärgernis Moskaus – weshalb Jones prompt auf die Liste des NKDW gerät.

Zu dieser Zeit ist Gareth Jones gerademal achtundzwanzig Jahre alt; er spricht fließend Russisch und Deutsch, hat Winston Churchill und Albert Einstein interviewt und als einer der ersten ausländischen Journalisten den Reichskanzler Adolf Hitler auf seinem Wahlkampf begleitet. Darüberhinaus gilt er längst als profiliertester Kenner sowjetischer Innenpolitik. Geboren und aufgewachsen in Wales, wurde sein Interesse für den Kommunismus bereits früh durch die Mutter geweckt, die über Jahre hinweg im Donbass gelebt hat. Angesichts der russischen Militärokkupation, deren Aufkommen er bereits auf seinen vorhergegangenen Reisen hautnah miterlebte, revidiert er bald seine Ansicht über die Gleichheit unter den Völkern und übt auf Vortragsreisen in Großbritannien und den USA harsche Kritik am drastischen Vorgehen des Kremls aus.

Angesichts eines möglichen militärischen Konflikts mit Russland bleiben seine Warnungen jedoch ohne Wirkung. Mehr noch: Die von ihm beschriebene Hungersnot wird von anderen Journalisten bewusst als über Gebühr dramatisiert dargestellt und Gareth Jones in der Folge regelrecht zum Schweigen verurteilt, weil Zeitungen sich weigern, seine Artikel zu drucken. Am Ende wird er damit abgespeist, über das Landleben in Südwales zu berichten. Ein letzter, unerwarteter Auftrag eines Gönners, auf seine unnachahmliche Weise Informationen über das Weltgeschehen zu sammeln, führt Jones über Deutschland und die USA in den Fernen Osten – von wo aus er nicht mehr zurückkehren wird. Der Kreml verzeiht nicht, der Arm des NKDW reicht weit.

Der Name Gareth Jones, der als erster und einziger Journalist den Holodomor, jene durch Stalins Terror und die Russifizierung der Ukraine hervorgerufene Hungersnot beschrieben hat, wäre heute so gut wie in Vergessenheit geraten, gäbe es nicht solch engagierte Autoren wie den polnischen Schriftsteller Miroslaw Wlekly. In seiner überragenden Biografie des britischen Journalisten und politischen Beraters zeichnet er in enorm flüssiger Sprache das Bild eines von Wissensdrang geprägten Enthusiasten, der weder Mühen noch Gefahren scheute, um seiner unverbrüchlichen Hinwendung zur Wahrheitsfindung Genüge zu tun.

Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln