Dieses Buch des Linguisten Wolfram Euler umfasst zwei Beiträge. Der erste analysiert die Aufgliederung von insgesamt fünf Sprachgruppen in Europa im 5. bis 8. Jahrhundert nach Christus. Vor allem im politisch eher ruhigen 7. Jahrhundert, ist nicht nur die Aufgliederung des Spätlateinischen in die Vorformen der romanischen Sprachen zügig vorangeschritten. Ähnliche Prozesse sind in dieser Zeit trotz weitgehend fehlender Überlieferung von Texten auch für das Westgermanische sowie für das Keltische, Slawische und Baltische nachweisbar. Eulers Untersuchung beginnt mit den romanischen Sprachen, weil hier am meisten Texte erhalten sind. Selbst über nur minimal belegte regionale Varianten des späten Lateins (etwa in Großbritannien, im Donauraum, in Dalmatien und in Nordafrika) sind inzwischen Aussagen möglich. Auch in den vier anderen Sprachgruppen lassen die später überlieferten Nachfolgesprachen sicher erkennen, dass in dieser überlieferungsarmen Epoche viele Veränderungen geschehen sein müssen, die Euler analysiert. Im zweiten Buchbeitrag untersucht der Münchner Pivatgelehrte das Verhältnis der drei ostgermanischen Sprachen Gotisch, Burgundisch und Vandalisch. Dabei stehen die beiden Fragen im Vordergrund, ob (1.) zwei dieser drei Sprachen untereinander enger verwandt sind als mit der jeweils dritten und ob es (2.) eine rekonstruierbare ostgermanische Protosprache gegeben hat. Letzteres wird im Fazit als eher unwahrscheinlich beurteilt, es könne aber angesichts der geringen Überlieferung von Burgundisch und Vandalisch auch nicht ausgeschlossen werden. Soweit es aber eine ostgermanische Protosprache gegeben habe, dann könne diese nur für eine kurze Zeit, etwa in den beiden Jahrhunderten vor und nach der Zeitenwende bestanden haben.
